Jung

Es liegt nicht an dir, dass ich traurig bin. Ich wünschte, dass könnte ich sagen. Du weißt, dass es nicht stimmt. Es liegt an dir. Du lagst in meinen Armen und hast mir von deinen Träumen erzählt und ich hielt dich ganz fest, ich wollte dich in Sicherheit wiegen, die falsche war es für mich, die Illusion, ich könne dich nicht verlieren, als hätte ich vergessen, dass du ein freier Vogel bist, der so weiterfliegt, wie er mir zugeflogen war. Mein Hass auf dich redet mir ein, du seist eine Bordsteinschwalbe, ich lasse ihn ruhig reden und ins Leere laufen. Ich weiß, du bist wunderbar und umwerfend und es lag nicht an dir, dass ich jetzt traurig und verzweifelt in meiner Dachkammer sitze und dir nachtrauere. Es liegt an mir, ich glaubte, dich festhalten zu können, Marie?

Wo bist du jetzt?

Eifersüchtig durchstöbere ich dein Facebookprofil und suche nach Hinweisen, was du jetzt machst, wen du triffst, ich weiß, wie töricht das ist und ich höre schon den Kuckuck rufen, „du hast einen Vogel, lass es sein.“ Ich frage mich, ob ich ohne dich weiterleben kann. Sicher, es ist eine Phase, ein Liebeskummerkater, und ich muss dich nur lange genug aus meinem System ausschwitzen, bis es mir wieder gut geht und ich an dich denken kann, ohne betrübt zu sein. Ich suche nach einem Stift inmitten des Chaos in meiner Wohnung. Mühselig sind die Schritte heraus aus diesem Zustand. „Ich stehe im Regen und weiß nicht weiter“, schreib ich in das Heft. „Wo suchst du dein Glück?“, antwortet plötzlich eine innere Stimme. „Bei ihr!“

„Sie ist in dir! Sie wohnt in dir“ und die Stimme schwieg.

Ich musste an C.G.Jung und sein Konzept der Anima denken. In mir wohnt meine Traumfrau und wartet darauf, dass ich sie mit der Güte, Achtsamkeit und Liebe behandele, wie ich es mir mit Marie erträumte und zur Bedingung machte, sagen zu können, „jetzt bin ich glücklich.“

Also liegt es wirklich nicht an dir, dass ich traurig bin, sondern an mir, in mir.

Ich behandel meine innere Frau schlecht. Ich schlage sie nicht oder beschimpfe sie, nein, ich vernachlässige sie und höre nicht auf ihren Rat. Weil ich glaube, ich weiß eh alles besser und zieh mein DIng ohne Rücksicht auf Verluste durch. Und wie geht es meinem inneren Mann? Sitzt er bockig in der Ecke und schmollt? Es ist immer eine traurige Sache, einen Blick in die dunklen Ecken der eigenen Seele zu werfen und sich den eigenen Zustand ehrlich einzugestehen. Hier aber gilt der sonst unselige Satz:

Muss ja.

„Ich liebe dich“

„Ich liebe dich auch“

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