Dialog zweier Geister in ewiger Nacht

 

 1. Marta und Johannes

Eine Hand, die Türklinke, über die Schwelle – Ein Schritt ohne Wiederkehr.

Wohin war sie gegangen, als sie sich mit dem üblichen “Ciao” verabschiedet hatte? Jetzt war er allein und fühlte sich im Stich gelassen., während er bequem auf dem Sofa saß, das über die Jahre einen braunen Überzug bekommen hatte. Die beiden, Marta und Johannes, wälzten sich darauf im abgestandenen Bratfett ihres inaktiven Lebens, das dank einer regelmäßigen Verbuchung von Staatsgeld auf ihr Konto in eine unbestimmte Verlängerung ging.

Unsere Beziehung ist doch kein Fussballspiel, Johannes”

Johannes, gescheiterter Kunsthistoriker und Hobbyfussballer, verglich ihre vergangenen Erfolge mit Toren und stellte regelmässig fest, dass es unentschieden zwischen ihnen stand.

Wann das letzte Tor gefallen sein mag, fragte sich Johannes und schaltete einen neuen Kanal ein. Ein altes WM-Spiel.

. Marta stapfte in ihren Hundepantoffeln zur Küche. Das Geräusch des Wasserkochers, kurz bevor es zu Blubbern beginnt. Eine falsche Bewegung mit dem Messer, weil sie auf die Uhr schaute “ist es schon zu spät, mich an mein Theaterstück zu setzen?”

Die frische Schnittwunde füllte sich mit Blut. Während sie nachdachte, beobachtete sie ungerührt ihren Finger. “Drei Jahre ist es her. Das Geld, das ich für die Fertigstellung bekommen habe, war aufgebraucht und die Deadline habe ich zum dritten mal nicht eingehalten.”

Die Blutspur führte den Flur entlang in das verwaiste Arbeitszimmer. Marta, im weißen Nachtkleid, starrte auf die verschlossene Schublade ihres Schreibtisches. Sie wusste nicht mal mehr, wo sie den Schlüssel hingelegt hatte.

Johannes konnte nicht hören, wie sie gegen die Schublade zu treten begann, weil die Stimme des Fußballmoderators alles übertönte.

Wie kräftig sie auch dagegen trat, sie blieb verschlossen und das machte sie rasend. Sie holte ein Brecheisen aus der Abstellkammer, die Frage, warum sie ein solches überhaupt besaßen, schob sie beherzt zur Seite, und stemmte das Eisen unter die Schublade. Das Holz splitterte , die Schublade knallte gegen die Wand und entleerte ihren Inhalt auf dem Boden.

War da was?

Johannes überlegte, das Spiel zu pausieren, aber es war gerade so spannend.

Die Seiten lagen völlig durcheinander. Marta hatte keine Zeit zum Sortieren, sie griff die einzelnen Blätter, stopfte sie in eine Tasche ihres Kleides und eilte zur Haustüre.

Sie kam am Wohnzimmer vorbei. Johannes saß wie gebannt vor seinem Spiel. Sollte sie?

Ciao”, sagte sie verhalten. Er hörte nicht. “CIAO!”

Ciao Schatz”, antwortete er ohne sich umzudrehen. Und tschüss.

Die Türe führte in die Dunkelheit. Für einen Moment stand Marta wie eingefroren auf der Schwelle, sie empfand weder Reue noch Angst. Kein Gedanke daran, was war oder sein wird. Ihre Hand wanderte zur Tasche, aus der sie die erste, blutverschmierte Seite ihres Theaterstückes zog.

Der Dialog zweier Geister in ewiger Nacht.

Die Tür fiel zu und ohne das Flurlicht verschwand der Schriftzug des Stückes vor ihren Augen.

Marta taumelte nach vorne. Die Dinge waren verschwunden, keine Sterne am Himmel, kein Mond,. Nichts, kein Licht, kein Geräusch. Schwarz.

Ein Dialog in ewiger Nacht“ flüsterte sie und ertastete sich einen Weg „… nur ich allein … mit mir selbst“. Es war anfangs nicht leicht für sie,einen Fuß vor den anderen zu setzen. Wo war ich?

Wäre das unser Hof, ich wäre längst gegen einen Baum gestoßen oder von einem Auto überfahren worden. Schritt …, Schritt…, Zentimeter für Zentimeter, ihr zitternden Hände tasteten sich umher, während sie sich langsam nach vorne bewegte – aber wo war hinten? und was war unten? Und als sie sich nach vorne beugte, weil sie dem Boden unter ihren Füßen nicht mehr traute, guckte sie wieder gerade aus, ohne was zu sehen. Verflixt! Wo bin ich hier?

Aber es kam keine Antwort und es gab auch keine Türe mehr