Im Schatten der verzweifelten Statue.

Seine versteinerte Siegesgebärde stand den Passanten des Marktes jeden Morgen vor Augen.

Sie sahen ihn, an ihm vorbei. Was sahen sie, wenn sie auf die steingewordene Überheblichkeit blickten, Ausdruck einer vom kolonialen Machtrausch beschwipsten Nation? Sein Name stand auf vielen Schiffen. Er hatte viele Follower, sein Wort wirkte in den Köpfen wie eine Handlungsanleitung, die den Menschen das Gefühl gab, nach einem großen, grandiosen Plan zu handeln. Alles endete, wie immer, im großen (vaterländischen) Desaster, mal wieder. Jetzt ist von dieser Zeit nur noch diese Statue übrig, in die er, nach einer übergeordneten Logik, die höchstens die Erzengel in Gottes Thronsaal verstehen, gebannt war bis zum jüngsten Tag, besprüht mit Farbe und bekritzelt mit dummen Sprüchen. Ich lag auf der Wiese und folgte dem Schatten der Statue über den Nachmittag hinweg, denn ich scheute die Sonne, weil meine Haut weiß und pergamenthauchzartdünn war (Folge einstiger Inzucht meiner adeligen Vorfahren). Ich blickte in seine stolzen Augen und fühlte einen Moment lang den Hauch von Familienehre. Es kam mir so vor, als ob er zurückstarrte. Fürchte mich, schien er zu sagen. Folge mir. Sei gehorsam. Gehorche. Ich verstand ihn nicht, denn sein Blick änderte sich mit der Zeit. Trauere um mich, bemitleide mich, verlache mich, nimm reiß aus. Es war diese Ambivalenz in seinem Antlitz, die mich in einer eigenartigen Mischung aus Attraktion und Abstoßung gefangen hielt. Sein Schatten hatte mich in Beschlag genommen. Erst als dieser sich im Abend auflöste, war ich in der Lage, die Wiese zu verlassen und durch die zerstückelte Altstadt den Heimweg anzutreten.

Jung

Es liegt nicht an dir, dass ich traurig bin. Ich wünschte, dass könnte ich sagen. Du weißt, dass es nicht stimmt. Es liegt an dir. Du lagst in meinen Armen und hast mir von deinen Träumen erzählt und ich hielt dich ganz fest, ich wollte dich in Sicherheit wiegen, die falsche war es für mich, die Illusion, ich könne dich nicht verlieren, als hätte ich vergessen, dass du ein freier Vogel bist, der so weiterfliegt, wie er mir zugeflogen war. Mein Hass auf dich redet mir ein, du seist eine Bordsteinschwalbe, ich lasse ihn ruhig reden und ins Leere laufen. Ich weiß, du bist wunderbar und umwerfend und es lag nicht an dir, dass ich jetzt traurig und verzweifelt in meiner Dachkammer sitze und dir nachtrauere. Es liegt an mir, ich glaubte, dich festhalten zu können, Marie?

Wo bist du jetzt?

Eifersüchtig durchstöbere ich dein Facebookprofil und suche nach Hinweisen, was du jetzt machst, wen du triffst, ich weiß, wie töricht das ist und ich höre schon den Kuckuck rufen, „du hast einen Vogel, lass es sein.“ Ich frage mich, ob ich ohne dich weiterleben kann. Sicher, es ist eine Phase, ein Liebeskummerkater, und ich muss dich nur lange genug aus meinem System ausschwitzen, bis es mir wieder gut geht und ich an dich denken kann, ohne betrübt zu sein. Ich suche nach einem Stift inmitten des Chaos in meiner Wohnung. Mühselig sind die Schritte heraus aus diesem Zustand. „Ich stehe im Regen und weiß nicht weiter“, schreib ich in das Heft. „Wo suchst du dein Glück?“, antwortet plötzlich eine innere Stimme. „Bei ihr!“

„Sie ist in dir! Sie wohnt in dir“ und die Stimme schwieg.

Ich musste an C.G.Jung und sein Konzept der Anima denken. In mir wohnt meine Traumfrau und wartet darauf, dass ich sie mit der Güte, Achtsamkeit und Liebe behandele, wie ich es mir mit Marie erträumte und zur Bedingung machte, sagen zu können, „jetzt bin ich glücklich.“

Also liegt es wirklich nicht an dir, dass ich traurig bin, sondern an mir, in mir.

Ich behandel meine innere Frau schlecht. Ich schlage sie nicht oder beschimpfe sie, nein, ich vernachlässige sie und höre nicht auf ihren Rat. Weil ich glaube, ich weiß eh alles besser und zieh mein DIng ohne Rücksicht auf Verluste durch. Und wie geht es meinem inneren Mann? Sitzt er bockig in der Ecke und schmollt? Es ist immer eine traurige Sache, einen Blick in die dunklen Ecken der eigenen Seele zu werfen und sich den eigenen Zustand ehrlich einzugestehen. Hier aber gilt der sonst unselige Satz:

Muss ja.

„Ich liebe dich“

„Ich liebe dich auch“

Skizze eines inneren Bildes

Das ist wie Papier schöpfen, nur greife ich nicht aus der Pulpe, um ein Papier zu erstellen, sondern aus dem Inneren meines Körpers, dort, wo es schmerzt oder wo ein Druck oder ein Unwohlsei ist, sogleich ergibt sich ein Bild, ein Eindruck, eine Welt, die ich beschreiben kann und sogar heilen kann, indem ich dem erfühlten (körperlich resonierenden) Bild seinen eigenen Verlauf gönne. So weit! Ich beschreibe also eine sich krümmende Gestalt, durch die mehrere Metallrohre in der Mitte vertikal hindurchgehen, dort feststecken und sich ins Fleisch der Organe bohren, der Kopf jedoch ist eine Scheibe, auf der sich eine kleine, von Bergen umstandene Stadt befindet, in der man fast zu leben wünscht, so pittoresk ist der Anblick, vergisst man den Schmerz, der in der Tiefe das Wohlergehen des Stadtträgers mindert. So weit, so gut. An dem Punkt, wo die verschiedenen Rohre sich berühren, ist ein pulsierender Druck und ein Schmerzensschrei, der immer wieder durch die Rohre schallt und die Bewohner der Stadt aufweckt. Ein kleines Erdbeben. Die Wissenschaftler des Geologischen Institutes erwarten in den nächsten Tausend Jahren „The big One“, das Große Eine. Die Leute erzählen sich, dass nach einer alten Sage sich der Schlund der Erde öffnen wird, um die Stadt in die brennenden Tiefe der Hölle fallen wird. Es brennt.

Dieser Blog dient der Nutzbarmachung vieler kleiner Ideenschnipsel, ist Ein- und Aufweckung unwillkürlicher Einfälle, soll Inspirationen aufbewahren, stellt eine Werkbank für größere Werke dar, in denen ich das von mir (in und außer mir) gesichtete Wunderland entfalten werde.

Eine Anleitung, um mit heißer Nadel der Inspiration zu stricken. Es muss augenblicklich raus, was in dir gärt und droht über- und damit auszulaufen.

Stückwerk, das immer wieder eingesammelt und wiederverwertet werden kann. Kleine Geschichten als Vorarbeit zu größeren Stories, im Werden und Rückgriff ist erlaubt. Buntes Sammelsurium. was man halt in einem Mäuseloch so findet.

Flügel der Nacht

Die große Tür war versperrt. Das Haus, in dem ich wohnte und das in eine unüberschaubare Anzahl von Zimmern aufgeteilt war, die ich mit Erinnerungen und Wissen vollgestopft hatte, atmete schwer und trug die Last meines Daseins in trauriger Geduld. Ich hatte mich selbst eingesperrt und den Schlüssel in einer trunkenen Nacht irgendwo in meinen tausenden Schubladen, auf meinen zahllosen Schränken oder in irgendwelchen Nischen abgelegt und nie wieder gefunden seitdem irre ich umher über die Flure, suche, finde nichts außer dem Altbestand meiner verschlossenen Seele.

Ich will hier raus.

Süße Stunden verbrachte ich in diesem Haus. Damals lud ich Gäste ein und verbrachte viele süße Stunden in den verschiedenen Zimmern, spielte mit meinen Freunden im Garten oder machte Ausflüge mit dem Automobil.

Das war einmal und ich weiß selber nicht, wie es passieren konnte. Anfangs telefonierten wir noch, ich und die anderen. Auch sie waren allein und zuhaus und sperrten sich ein, weil es hieß, draußen treibe ein Ungeheuer sein Unwesen, eine Art Lovecraft´ches Monster mit vielen Tentakeln. Wir waren sicherer daheim, wir warteten, bis jemand anrufen würde, um zu sagen, der Spuk ist vorbei. Aber niemand rief an und keiner besuchte mich mehr. Ich vergaß die Zeit.

Meine Fäuste hämmerten gegen die verschlossene Tür. „Lasst mich hier raus“, schrie ich. Immer wieder. Bis ich erschöpft vor der Schwelle niedersank und einschlief. Im Traum erschien mir ein Engel. Hoch wie ein Turm ragte er vor mir auf und seine leuchtende Hand ergriff meinen Körper und hob mich nach oben in das Turmzimmer meines Hauses. Ein nasser Lappen, der auf den Dielen auslief, war ich, ich traute mich nicht, in die Augen des leuchtenden Wesens zu schauen. Sein Blick lag auf meinem Rücken. Er brannte. Der Eisenring um mein Herz schmolz und das flüssige Metall floss durch meine Adern, aus meinen Seiten brachen feingliedrige Flügel hervor, die in einem sanften Violettton schimmerten. „Du bist dein eigener Gefangener. Du bist dein Schlüssel“, sprach er und löste sich in glitzernden Umrissen auf. Allein war ich. Mein Körper lag gerade noch willensschwach auf dem Boden, meine Flügel zuckten, ein Ruck und ich richtete mich in der mühelosesten Weise auf wie eine gedrückte Feder von allein in ihre optimale Form zurückkehrt – über die kleine Wendeltreppe konnte ich auf die kleine Dachempore steigen, die Sterne sind meine Zeugen, ich habe Flügel und ich werde sie benutzen, denn sie sind nicht nur Zierde und verkümmern, wenn ich sie nie benutze. „Also spring!“, sprach die Wolke und mein Herz und das tat ich. Der Luftwiderstand unter meinen Flügeln hob mich nach oben und ich erkundete das Land und was von früher noch vorhanden war.

Der rote Vorhang

Die letzte Vorstellung lag jetzt schon Monate zurück. Alles war dicht, über der Stadt lag eine lähmende Totenruhe. Der Vorhang war gefallen und alles, was bisher passiert war in der Geschichte, war als Kapitel abgeschlossen. Zwischen den Zeiten warteten die Leute auf den billigen Plätzen darauf, was als nächstes passieren würde, doch sie hatten keinen Schimmer. Sie waren auf Eis gestellt, im Ungewissen, stocherten im Nebel, ihr Leben war das verlängerte Durchgangszimmer, bei dem die Illusion die Tür immer wieder nach hinten verschob in dem Moment, in dem man sie zu erreichen wähnte. Die neue Welt war im Umbau und sie war noch nicht fertig, denn ihre Baumeister hinter den Kulissen stritten sich über wichtige Details. All das schien die passiven Zuschauer nicht zu kümmern, solange sie wieder ihr Spektakel zu sehen bekamen und sich nicht weiter um ihre Belange kümmern mussten. Aber immer mehr Sitze waren leer, und die Luft im Theater wurde langsam dünn. Vor dem Theater versammelten sich Aufgestandene mit selbstgebastelten Schildern, auf denen sie „Mitbestimmung“, „Demokratie“ und „Freiheit“ forderten, aber sie wurden immer wieder vom Sicherheitsdienst des Theaters vertrieben. Ich stand etwas abseits von dem Geschehen und verglich ständig das Gesehene mit den neu eingeblendeten Berichten des Großen Bruders auf meinem Schlauen-Fernsprechapparat. „Vaterlandsverräter gefährden die Volksgesundheit“, „subversive Elemente untergraben den Ruf unseres hochangesehenen Theaters“, „das widerliche Pack“ und ähnliche Kommentare erzeugten in mir eine merkwürdige Blase, die sich über meine Augen schob und ich konnte das Geschehen nur noch verschwommen erkennen. Leider ließ sich das Schlauphone nie abstellen, und neuerdings konnte man die meisten Dinge nur noch damit bezahlen. Vielleicht auch ein Grund, warum die meisten der Demonstrierenden so ärmlich aussahen. Viele zogen mit gesenktem Kopf und etlichen blauen Augen vom Platz. Die Kameras nahmen alles auf und blendeten auf großen Fernsehbildschirmen in den Straßen und Bahnen die Köpfe der Unzufriedenen ein. „Das ist einer der schädlichen Querköpfe. Er ist dafür verantwortlich, dass sie auf die Wiederaufnahme der Vorstellung noch lange warten müssen.“ Eine große Wut stieg in mir hoch. Zwar konnte ich auch nicht mehr in das Theater zurück, aber mit solchen Menschen wollte ich nun wirklich nichts zu tun haben. Ich bin doch kein Volksverräter. Darum setzte ich mich auf die Parkbank und meditierte eine Weile …

Vom nicht wohin wissen

Es lebt in mir die nicht tot zu schlagende Idee, ich müsse irgendwohin. Ankommen. Zu einem bestimmten Ort gehen und mein Leben so gestalten, dass es diesem gedanklichen Wohlfühlort entspricht. Schwer lastet auf mir das Gefühl, diesen Ort nicht bei mir zu haben, aus ihm verstoßen worden zu sein. Der Lebensflow. Es gibt keinen bequemen Weg, der von der Erde zu den Sternen führt. Das habe ich heute gelesen und es beruhigt mich, zu wissen, dass dieser Weg kein einfacher Spaziergang ist und Rückschläge, die mich von ihm abringen, dazu gehören. Dass die Dinge und Ereignisse nicht ohne mein Zutun zu mir kommen und dass einem im Leben nichts geschenkt wird (und doch mehr, als wir manchmal denken). Denn unter diesem Aspekte verwandelt sich das auf-und-ab des Lebens und der eigenen Kreativität und Schöpferkraft (Synonyme) in einen eigenen Verdienst und weil nicht immer alles von alleine fließt, sind wir immer gefragt, Ingeneure jener Äquadukte zu sein, die schließlich die Ströme eines erfüllten Lebens durch unsere Existenz fließen lassen, aus denen wir unseren Teil schöpfen dürfen. Wir sind als Baumeister gefragt, wir erbauen die Städte, in denen wir leben wollen mit anderen zusammen. Zum Glück habe ich Architekten in meinem Freundeskreis.

Hinter der Hecke, im Mäuseloch, im Augenwinkel just an other brick in the wall.

Ich lebe mit euch im Wald der Möglichkeiten. Soweit so gut. Diesen Wald sehen wir vor lauter Bäumen leider nicht und auch vergessen wir oft, dass es Gründe hat, warum alle Bäume die immergleichen Kiefern in den vielen Reihen sind und wer die gepflanzt hat und warum (schnell nachwachsend, möglichst viel Proft erwirtschaften). Wir können darin nicht nur Neues pflanzen, auch sind wir selbst urtümliches Gewächs, immer neu aus dem unerschöpflichen Urgrund allen Seins hervorgehend, geboren zum Wachsen und Blühen und Gedeihen und wir lieben das Leben und die anderen Bäume und den Wald und sind mit einem intuitiven Wissen über dessen Zusammenhalt geboren und gut ist u n d d o c h scheinen wir von unserer Wurzel abgeschnitten zu sein. Das ist ein Dilemma, dessen tiefere Ursache im Dunkeln liegt, ich nenne es den A l t e n B a n n, die Schuppen und der Balken vor den Augen. Denn wir sind mit Blindheit geschlagen und vermögen oder wollen nicht sehen, wie wir selbst das Unheil durch unser uns selbst Klein-reden und „unbeteiligt-sein“ vermehren und aufrecht erhalten und diese alte Mauer, die unsere Herzen voneinander trennt und uns von der Rückkehr in unser authentisches Schöpfungspotential abhält, sie bekommt Risse und das ist gut und auch sehr schmerzhaft. Die Rückkehr zur Liebe ist mit vielen kleinen und größeren Kränkungen verbunden. Das sage ich aus bitter-süßer Erfahrung. Dieser Weg lohnt sich und er ist nicht einfach und niemand sage, er sei nicht gewarnt worden. Komm. Nimm meine Hand und folge mir wenn du das möchtest. Lass uns schauen, was uns hinter der Hecke erwartet. Lass gucken, was sich im Mäuseloch versteckt, wo keines blinden Menschen Auge hinreicht.